Sehr geehrter Herr Kleber,
mit Entsetzen haben wir den Bericht über den von Amazon praktizierten und geduldeten Umgang mit Leiharbeitern aus ganz Europa in der Reportage Ausgeliefert Leiharbeiter bei Amazon zur Kenntnis nehmen müssen. Wie sich das Unternehmen Amazon die Not der Menschen zunutze macht, um daraus Profit zu schlagen, ist mit den Grundsätzen einer sozialverträglichen Marktwirtschaft nicht vereinbar.
Die SPD setzt sich seit jeher für eine soziale Marktwirtschaft ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht auch wenn gerade unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung unter den Schlagworten Hartz I und II entscheidende Arbeitsmarktreformen umgesetzt worden sind, deren negativen Seiten die Gesellschaft erreicht haben, auch weil sie von einigen Unternehmen schamlos ausgenutzt wurden. Diese Auswüchse auf dem Arbeitsmarkt müssen wieder korrigiert werden.
Wir sind der Auffassung dass der soziale Frieden und der Erfolg unseres Landes davon abhängen, ob es ein faires Miteinander der Unternehmen und der Arbeitnehmer gibt. Menschen müssen von Ihrer Arbeit leben können, sie müssen von den Unternehmen respektiert und als Mensch in Ihrer Würde anerkannt werden. Im Gegenzug müssen sie eine Arbeitsleistung erbringen, die einen Erfolg des Unternehmens und ein Bestehen im Wettbewerb möglich macht. Das macht den Wirtschaftsstandort Deutschland aus, der auch deshalb einen guten Ruf genießt, weil die von Amazon praktizierte Firmenpraxis eben nicht an der Tagesordnung ist.
Der Umgang mit Leiharbeitern, nicht nur in der Weihnachtszeit, ist aus unserer Sicht ein Angriff auf die Menschenwürde. Amazon behandelt seine Mitarbeiter wie ein Produkt, wie Ware. Es besteht aber ein Unterschied zwischen den Sachen, die Sie tagtäglich in die Welt verschicken, und den Menschen, die sie verpacken. Das jedoch scheint bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein.
In Ihrem Auftrag werden Menschen auf engstem Raum in von ihrer Arbeitsstelle weit entfernten Unterkünften eingepfercht und morgens mit Bussen in die Logistikzentren gekarrt.
Diese Menschen stammen aus ganz Europa, sind nur für die Arbeit nach Deutschland gekommen und Ihnen deswegen nahezu schutzlos ausgeliefert. Wie sonst wäre es wohl zu erklären, dass ausgebildete Akademiker, Facharbeiter und Hilfskräfte diesen Umgang erdulden? Sie nutzen die Not der Menschen, die in ihrer Heimat zumeist arbeitslos sind, gnadenlos aus, um damit die sozialen Standards bis weit unter die Schmerzgrenze abzusenken. Die Arbeitnehmer akzeptieren ihre faktisch rechtslose Lage, weil sie keine Alternative haben. Dass keine Klagen aufkommen, heißt jedoch nicht, dass es keine Klagen gibt. Doch soziale und ethische Grundsätze genießen in Deutschland einen hohen Stellenwert. Das soll auch in Zukunft so bleiben.
Wir fordern Sie daher auf, diese sozialen und ethischen Grundsätze zu achten und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Ihrem Unternehmen arbeiten, nicht wie moderne Sklaven behandelt werden. Dazu gehört auch die Einführung von Arbeitnehmervertretungen an all ihren Standorten.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist ein Grundsatz, dem sich die SPD zu 100 Prozent verpflichtet fühlt. Bei Ihnen trifft dieser Grundsatz nicht zu. 9,68 Euro brutto bekommen der Reportage zufolge Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen nicht jedoch die Leiharbeiter, die sich mit 8,52 brutto zufrieden geben müssen.
Dass Leiharbeiter weniger Geld bekommen als unbefristet angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wird ihnen jedoch in der Stellenausschreibung zunächst verschwiegen. Geködert werden sie mit einem höheren Lohn, den tatsächlichen Gegenwert für ihre Arbeit
erfahren sie erst, wenn die Entscheidung pro Amazon bereits gefallen ist. Wir halten das für eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Bei Ihnen ist Leiharbeit und Befristung ein Geschäftsmodell, wenn die in der Reportage angegeben Zahlen zutreffend sind.
In Koblenz seien von 3300 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lediglich 200 in unbefristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt, heißt es in dem Film. Das macht eine Quote
von 94 Prozent in Koblenz. In Augsburg beträgt die Quote immerhin noch knapp 80 Prozent. Damit schaffen Sie ein Klima der Angst um den Arbeitsplatz jeder hofft auf eine Festanstellung, ackert deswegen bis zum Umfallen, meistens jedoch ohne Erfolg.
Amazon drückt die Personalkosten auf Kosten der vermeintlich Schwächsten, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Aus unserer Sicht ist Amazon ein Paradebeispiel dafür, warum wir in Deutschland nicht nur einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen, sondern auch eine vernünftige Begrenzung der Leiharbeit, um der Ausbeutung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Unternehmen wie Amazon vorzubeugen.
Wir hoffen dass die ersten Reaktionen durch Amazon Deutschland nur der Anfang zu einer sozialpartnerschaftlich geprägten Arbeitswelt auch bei Ihnen im Unternehmen sind. Ändern Sie ihr Geschäftsmodell, jetzt!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. André Kavai
Unterbezirksvorsitzender