„Nach gerade einmal 100 Tagen im Amt, lässt die neue hessische Regierungspräsidentin die Katze aus dem Sack. Ungeachtet der Tatsache, dass der Hessische Staatsgerichtshof den Kommunalen Finanzausgleich längst für rechtswidrig erklärt hat, wirft auch die studierte Rechtsanwältin in ihrer Funktion als Chefin der Landesbehörde für Kommunalaufsicht den Kommunen vor, über ihre Verhältnisse gewirtschaftet zu haben und erklärt diese damit als allein verantwortlich für die prekäre kommunale Finanzsituation. Besonders pikant ist ihre Aussage, dass die sogenannten Schutzschirmkommunen im Rahmen der Konsolidierungsverträge mit dem Land Hessen eigenverantwortlich festgelegt hätten, in welchen Bereichen der Rotstift angesetzt wird. Im gleichen Atemzug von kommunaler Selbstverwaltung zu sprechen, schlägt dem Fass den Boden aus“, erklärt Klaus Schejna, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Kreistag des Main-Kinzig-Kreises und Bürgermeister der Gemeinde Rodenbach. „Den schwarzen Peter für meist mehr als klamme Kassen von Kreisen, Städten und Gemeinden jedoch allein den Kommunen in die Schuhe zu schieben, ist eine bodenlose Frechheit und vollkommen an der Realität vorbei“, so Schejna weiter.
Bereits im Jahr 2003 sei damit begonnen worden, die Kommunen regelrecht auszubluten. Mit der „Operation sicher Zukunft“ habe der damalige Ministerpräsident Roland Koch eine gute Milliarde Euro hauptsächlich im sozialen Bereich ersatzlos gestrichen. „Kreise, Städte und Gemeinden sind es seither, die soziale Einrichtungen wesentlich finanziell am Leben erhalten. Bund und Land übertragen den Kommunen immer weitreichendere Aufgaben ohne eine entsprechende auskömmliche Finanzausstattung“, macht Klaus Schejna deutlich. Als Beispiel müsse hier immer wieder die Kinderbetreuung aufgeführt werden. Hier haben Städte und Gemeinden Kraftakte geleistet, um die gesetzlichen Vorgaben, nämlich den Anspruch auf einen Betreuungsplatz auch für unter Dreijährige, zu erfüllen. Die in der Konsequenz steigenden Personalkosten hierfür seien allerdings aus der Stadt- bzw. Gemeindekasse zu stemmen.
Per Erlass durch den Hessischen Innenminister und mit Unterstützung der hessischen Regierungspräsidentin sollen Städte und Gemeinden nun Gebühren und Abgaben anheben, um ihre Haushalte zu sanieren. Bürgerinnen und Bürger sollen mit Erhöhungen, beispielsweise der Grundsteuer B auf einen Wert von zehn Prozent über dem hessischen Landesdurchschnitt, belastet werden, wenn sparen alleine nicht ausreiche, um Haushaltslöcher zu stopfen. Diese Erhöhung schlägt sich auch auf Mietpreise nieder und somit sind nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter betroffen, also alle Bürgerinnen und Bürger. Während im Bundes- und Landtagswahlkampf Steuererhöhungen von den Christdemokraten kategorisch abgelehnt wurden, zwängen sie nun Bürgermeister und ehrenamtliche Gemeindevertreter in die Rolle der Überbringer schlechter Nachrichten, weil Erhöhungen schlicht und einfach nach unten abgewälzt würden.
„Weder Landkreise, noch Städte oder Gemeinden wären in diese prekäre Situation gekommen, hätte sich die Hessische Landesregierung nicht fortwährend aus deren Töpfen bedient, um damit unrechtmäßig die Landesfinanzen zu sanieren. Der Hessische Staatsgerichthof hat den Kommunalen Finanzausgleich und die Entnahme daraus durch das Land in Höhe von rund 345 Millionen Euro für verfassungswidrig erklärt und die Landesregierung aufgefordert, diesen bis 2016 zu reformieren. Im Zuge dessen werden Pflichtaufgaben der Städte und Gemeinden vom Innenministerium willkürlich als freiwillige Leistungen deklariert, um die notwendige Finanzausstattung möglichst niedrig zu rechnen. Spielraum für die in der Hessischen Verfassung verankerte kommunale Selbstverwaltung bleibt da nicht mehr, auch wenn die Hessische Regierungspräsidentin das gerne anders darstellen möchte“, macht Karl Netscher, finanzpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Kreistag, deutlich.
Ganz verschwiegen habe die Regierungspräsidentin in ihrem 100-Tage-Resümee, dass für all die Kommunen, also auch für diejenigen, die sich nicht unter dem sogenannten kommunalen Schutzschirm befinden, die gleichen Bedingungen bezüglich Haushaltskonsolidierung gelten, wie für die Schutzschirmkommen auch, ohne dass Maßnahmen des finanziellen Rettungsprogrammes der Hessischen Landesregierung hier Anwendung fänden.