Kreistag am 25.09.2020 – „Änderung Waffengesetz – Beteiligung am Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ – Sperrung sittenwidriger KFZ-Kennzeichen

Gemeinsamer Antrag „Änderung Waffengesetz – Beteiligung am Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ – Sperrung sittenwidriger KFZ-Kennzeichen

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

die Fraktionen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Freie Wähler und Die Linke stellen zur Kreistagssitzung am 25.09.2020 folgenden Antrag:

Der Kreistag möge beschließen:

  1. Der Kreistag beschließt eine Initiative in Richtung Bundestag und Bundesrat zur Änderung des Waffengesetzes gemäß Anlage I.
  2. Der Kreistag bittet den Kreisausschuss darauf hinzuwirken, dass der Informationsaustausch der übergeordneten Behörden und Dienststellen auf Landes- und Bundesebene mit der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises gemäß den Vorschlägen in Anlage II umgesetzt werden.
  3. Der Kreistag schlägt die Durchführung der in der Anlage III beschriebenen regionalen Maßnahmen vor und unterstützt die bisherigen schon eingeleiteten Schritte. Der Kreistag beschließt, dass alle hierfür notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.
  4. Der Kreistag unterstützt im Besonderen die Ausweitung der personellen Ressourcen der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises zur – über den gesetzlichen vorgeschriebenen Rahmen hinausgehenden – Erweiterung der Aufbewahrungskontrollen. Der Kreistag beschließt, dass alle für eine kurzfristige Umsetzung notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Zu schaffende Stellen sollen befristet besetzt und in den nächsten Stellenplan dauerhaft aufgenommen werden (Anlage III). Der Kreisausschuss wird gebeten, entsprechende Maßnahmen vorzubereiten, weiter zu führen und umzusetzen. Der Kreistag ist über die Umsetzung in geeigneter Form zu unterrichten.
  5. Der Kreistag begrüßt die Bewerbung zur Beteiligung des Main-Kinzig-Kreises am Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und die Einrichtung einer Fachstelle „Für Demokratie und gegen Extremismus“ (DEXT). In die inhaltlich konkreten Ausgestaltungen im Main-Kinzig-Kreis sind ebenfalls die Bildungspartner Main-Kinzig GmbH mit einzubeziehen, vor allem, wenn es z.B. um Fahrten von Schulen/Vereinen etc. zu Gedenkstätten geht. Der Kreisausschuss wird außerdem beauftragt, sich mit der Universität Gießen in Verbindung zu setzen. Dabei soll geprüft werden, ob das Beratungsnetzwerk Amokprävention der Universität Gießen auf den Main-Kinzig-Kreis ausgeweitet werden kann, oder ob eine vergleichbare Struktur im Main-Kinzig-Kreis errichtet werden kann. Notwendige Haushaltsmittel werden zur Verfügung gestellt, wenn erforderlich. Die Umsetzung des Bundesprogramms soll federführend im Büro für interkulturelle Angelegenheiten abgewickelt werden. Der Kreistag sowie der Haupt- und Finanzausschuss sind über den Weitergang der Bewerbung sowie ggf. die Umsetzungsplanung und notwendigen Mittel zu unterrichten.
  6. Der Kreistag unterstützt die Maßnahmen bezüglich der Sperrung von als sittenwidrig eingestufter Kfz-Kennzeichen. Es werden über die derzeit in Hessen geltende Erlasslage hinaus Kennzeichen nach dem Maßstab des Beschlusses des OVG NRW vom 19.11.2019 (Anlagen IV) nicht mehr vergeben. Die Zulassungsbehörde wird gebeten einen Vorschlag zu erarbeiten.

 Begründung:

Das furchtbare Attentat von Hanau am 19. Februar 2020, bei dem 9 Menschen von einem Attentäter aus rassistischen Motiven getötet worden sind, hat Hanau, den Main-Kinzig-Kreis, Hessen, die Bundesrepublik Deutschland, Europa und die Welt erschüttert. Die Bluttat von Hanau, der Anschlag auf die jüdische Synagoge in Halle, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der Mordversuch an einem Eritreer in Wächtersbach im vergangenen Sommer: In schier unfassbarer Regelmäßigkeit werden in Deutschland Anschläge und Attentate aus rassistischen, rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Motiven begangen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, lautet Artikel 1 des Grundgesetzes. Dieser Grundsatz ist die erste und oberste Norm unseres demokratischen Staates. Aus diesem Grund haben wir demokratischen Fraktionen im Kreistag unter Einbeziehung des Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises diesen Antrag gestellt. Es geht uns darum, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für eine offene und demokratische Gesellschaft. Ein Zeichen, dass sich die gewählten Abgeordneten im Kreistag für den Erhalt unserer Demokratie einsetzen; dass wir willens sind, uns gegen jegliche Angriffe auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zur Wehr zu setzen.

Seit 1949 ist es Aufgabe der demokratischen Parteien, den Auftrag des Grundgesetzes zu erfüllen. Unsere Demokratie wird heute von allen Seiten herausgefordert. Der Punkt „Wehret den Anfängen“ ist nach unserer Einschätzung bereits weit überschritten. Wir sehen es als Aufgabe der demokratischen Parteien an, unsere freiheitliche und offene demokratische Grundordnung mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Als Demokraten wissen wir dabei eine überwältigende Mehrheit in der Bevölkerung hinter uns.

Uns als Fraktionen und dem Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises geht es aber auch um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Niemand kann das Attentat von Hanau oder die anderen Anschläge ungeschehen machen. Niemand kann mit einem politischen Beschluss in Zukunft Attentate oder rechtsradikale Anschläge verhindern. Aber wir als Kreistagsabgeordnete sehen es als unsere Aufgabe und Pflicht an, die Stimme zu erheben und Vorschläge zu unterbreiten, die unserem Rechtsstaat eine konsequente Durchsetzung des Rechtes ermöglichen und dieses auch einfordern. Eine Stärke in der Durchsetzung des Rechts, gepaart mit einer deutlich ausgeweiteten Präventionsarbeit und einer ehrlichen und aufrichtigen Einschätzung und Bekämpfung der sich als Alltagsgift in die Gesellschaft einschleichenden antidemokratischen Tendenzen sehen wir als unsere Möglichkeit an, auf das Attentat von Hanau zu reagieren und ein sichtbares Zeichen zu setzen.

Es ist unstrittig, dass die oben aufgeführten Beschlussvorschläge keinen abschließenden Charakter besitzen, dass sie ständig auf ihre Wirkung überprüft und angepasst werden müssen. Einige der Beschlussvorschläge kann der Main-Kinzig-Kreis nicht eigenständig umsetzen. Dies soll uns allerdings auch nicht daran hindern, die verantwortlichen Behörden deutlich und angemessen darauf hinzuweisen, dass zum Beispiel das Waffenrecht aus unserer Sicht einer umfassenden Überprüfung und Überarbeitung bedarf.

In anderen Punkten kann der Main-Kinzig-Kreis selbst Akzente setzen, insbesondere in der Präventionsarbeit. Diesen Gestaltungswillen wollen wir als demokratische Parteien im Kreistag in Anspruch nehmen und nutzen. Dabei gilt, dass auch nach der Umsetzung dieses Beschlusses weiterhin kontinuierlich an weiteren Ideen und deren Umsetzung gearbeitet werden soll.